Wie wichtig sind Patente in der Gründerszene? Und wie gut schützen sie das geistige Eigentum der Erfinder?

Patentzeichnung (Ausschnitt)Mein Grossvater war ein technisch talentierter, aber auch ein etwas bitterer Mensch. Er begründete das immer wieder damit, dass er der Erfinder des Velo-Klappständers sei.

Ich war beim bloßen Gedanken daran beeindruckt: Der Seitenständer war vor dem Mountainbike-Zeitalter nicht nur an jedem Fahrrad, sondern auch an jedem Motorrad zu finden. Mein Großvater hatte diese geniale Erfindung gemacht? Er betonte sogar, er habe sie zum Patent angemeldet. Warum also die Verbitterung?

Weil seine Eltern irgendwann im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts die Patentgebühr nicht mehr bezahlen mochten und der minderjährige Erfinder zusehen musste, wie seine Idee von findigen Herstellern abgekupfert und zum Welterfolg gemacht wurde.

Zumindest war das die Geschichte, wie ich sie immer wieder gehört habe. (Im Swissreg habe ich keinen Hinweis mehr auf ein entsprechendes Patent finden können – es hätte seine Lebensdauer aber auch schon um das Dreifache überschritten).

Heute noch sitzt wohl auch deshalb in meinem Hinterkopf die Meinung, dass das Fundament jeder neu gegründeten Unternehmung nicht nur eine großartige Idee, sondern auch ein ein Patent sein müsste.

Die Probe aufs (Hinterkopf-) Exempel ergibt ein anderes Bild: Von den 14 jüngst durch Red Herring ausgezeichneten Schweizer Startups sind auf die Schnelle grade drei im Patentregister als Inhaber und/oder Lizenznehmer von Patenten zu finden. Das dürfte ganz einfach auch daran liegen, dass nicht alles, was als kommerzieller Prozess betrieben wird, auf einer einzigartigen technischen Erfindung beruht. Dienstleistungen sind nicht patentierbar (die Marke allerdings sollte geschützt werden).

Es gibt weitere Gründe, warum nicht jeder Firma ein Patent zu Grunde liegt.

  • Auf Software können zwar seit dreissig Jahren Patente erhoben werden, aber es gibt keinen eindeutigen internationalen Standard. In den USA nehmen die Patentanmeldungen laufend zu – dabei ist die Diskussion über Sinn und Unsinn von Softwarepatenten weltweit noch heftig im Gange.
  • Patente kosten Geld. Zwar sind die Anmelde- und die Jahresgebühren moderat. Aber ohne die Hilfe Dritter geht der Vorgang wohl nicht über die Bühne: Zuerst fallen aufwändige Recherchen darüber an, ob etwas ähnliches nicht schon patentiert wurde; danach sind die Dienste eines Patentanwalts unabdingbar.
  • Patente schützen Geistiges Eigentum nicht nur – sie legen es auch offen: Patentregister sind eine wichtige Quelle für Wissenschafter. Universitäten verlangen häufig schon deshalb die Patentierung von Erfindungen: Die Erfinder kriegen den Schutz, die Uni ihren Credit und die Wissenschaftsgemeinde Zugang zur Problemlösung.
  • Nicht nur für Wissenschafter, auch für Raubkopierer dürften die Patentregister mit den Beschreibungen der Erfindungen eine wahre Fundgrube sein. Vielleicht sind deshalb viele der Skizzen und Definitionen in einer, wie mir beim Stöbern schien, sehr homogen-kryptischen Syntax verfasst, die bei aufmerksamer Lektüre eine Ahnung der Funktion liefert, aber weit von Bauplänen entfernt sind.
  • Selbst oder grade in sicheren Rechtsräumen ist ein Patent noch immer kein vollständiger Schutz. Denn ohne Kläger gibts kein Urteil, und wer gegen eine grosse Firma und ihre Heerscharen von hochbezahlten Anwälten antreten will, muss schnell mehr investieren, als sein Startup wert ist und hat unsichere Aussichten auf Erfolg. Das mussten etwa die drei Erfinder des Runman erfahren, wie dieses Beispiel aus Brand Eins beweist.
  • Patente erfordern eine exakte Einhaltung der amtlichen Abläufe. das eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum warnt eindringlich, vor der Patentanmeldung die erfindung niemandem zu zeigen, an keiner Messe vorzuführen und nicht zu veröffentlichen. Mit der Anmeldung zum Patent ist aber noch nicht gesichert, ob das Patent auch erteilt wird, und Produktion und Vermarktung sind so einer nicht beeinflussbaren Verzögerung unterworfen.

Mich würden Erfahrungen mit Patenten, gute wie schlechte, die eigene Policy im Umgang mit Erfindungen und technischen Lösungen etc. interessieren. Wer etwas zu erzählen hat, soll sich doch einfach kurz mit email oder Telefonnummer bei mir oder via nebenstehendem Kontaktfeld melden.

Und der Vermarkter des Velo-Seitenständers, der so ab Mitte der zwanziger Jahre ein Vermögen gemacht haben dürfte, möge sich doch ebenfalls bei mir und der übrigen Verwandschaft des ursprünglichen Patentinhabers melden…