Um den Sprung ins Unternehmertum zu wagen, ist 2009 nicht gerade das beste Jahr. Wer es trotzdem macht, ist entweder ein unverbesserlicher Optimist, hat den Mut der Verzweifelung – oder ziemlich gute Gründe.

Die eigene Firma: In der Krise eine Chance. (istockphoto)

Klasse Idee, jetzt eine Firma aufzumachen, nicht wahr? Schlechter hätte man das Timing konjunkturell auch gar nicht hinbekommen können. Wenn schon etablierte Firmen, bei denen es bereits Produktion, Vertrieb und vor allem Kunden gibt, ins Straucheln geraten, scheinen die Aussichten für Gründer schlecht. In der Krise zeigt sich aber der Charme, sein eigener Chef zu sein: Es ist gut für die Psychohygiene. Jeder der angestellt ist, kann sein Schicksal kaum beeinflussen. Jeder, der sein eigner Chef ist, kann sich anstrengen und bewegt etwas. Kurzum, wer sein eigner Herr ist, hat wenigstens die Chance, den Karren aus dem Wirtschaftskrisen-Dreck zu ziehen.

Wer in einem Unternehmen eingebunden ist, ist auf die Entscheidungen anderer angewiesen und sitzt wie das Kaninchen vor der Schlange am Schreibtisch und starrt entgeistert auf den Blackberry, wenn der Chef ihn «asap» und «urgent» sehen will. Es könnte ja das Aufgebot für die «Trennung wegen unterschiedlicher strategischer Auffassung» sein.

Eingeklemmt in Hierarchien wird der Angestellte im Zweifelsfall zum Spielball im grossen Restrukturierungs- und Redimensionierungsspiel. Die Praxen von Psychologen sind voll mit Leuten, die unter Burn-out leiden, weil sie nicht wissen, wie sie die Ansprüche bewältigen sollen und Angst um ihren Job haben. Wenig verunsichert so sehr, wie die Unfähigkeit, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen – auch wenn man in der Kaderstufe 3 ist und ein Dienstwagen vor der Firma steht.

Bisweilen flüchten sich die Wehrlosen in Übersprungshandlungen, die das Schicksal besänftigen sollen. Einen Hang zu besseren Kleidung, Rückkehr des formalen Tons und mehr Verbindlichkeit hat die Kolumnistin der Financial Times, Lucy Kellaway vor zwei Wochen ausgemacht. Den Angestellten in der Finanzindustrie ist die Angst in die Knochen gefahren, ihren Job zu verlieren. Und weil sie keine Möglichkeit haben, das unvermeidbare Schicksal abzuwenden, das die Personalabteilung einmal fällt, versuchen sie mit dem Griff in den Kleiderschrank ihre Bedeutung fürs Unternehmen zu beweisen. Der Hintergedanke: Mit einem Anzug und einem sauberen Hemd, wird man nicht so leicht rausgeworfen. Wer immer «mit freundlichen Grüssen» unter die E-mail schreibt wähnt sich auch geschützt.

Diese Sorgen haben Unternehmer nicht. Sie können die Probleme, die sich ihnen stellen, versuchen zu lösen. Sie können mit den Banken reden, die Kosten reduzieren, Rabatte geben und sich auf die Socken machen, um neue Kunden zu finden. Sie können – auch wenn das Wasser immer höher steigt – etwas tun, um die Lage zu verbessern. Ob’s was nützt, steht auf einem anderen Blatt. Für die Psychohygiene ist das allemal besser.